Männer im Kreißsaal

... sind Typen mit Nerven aus Stahl,
dem Mut des letzten Mohikaners und der Geduld eines Engels.

Glauben Sie nicht? Stimmt auch nicht :-).
Leider sind es doch nur Menschen, die gerade an
der Seite einer werdenden Mutter von gnadenlos schwankenden Blutdruckwerten, Schwindelanfällen und Schweißausbrüchen heimgesucht werden.
Damit die Geburt dennoch für alle Beteiligten ein schönes Erlebnis wird, sollte man ein paar Punkte bedenken - wie ich als Hebamme weiß.

Im Geburtsvorbereitungskurs

Diskussion zum Thema "Väter im Kreißsaal"

"Bei unserem ersten Kind war mein Mann bei der Geburt dabei.
Das war für mich eine große Hilfe und Unterstützung", berichtet eine Mutter.
"Wenn ich ehrlich sein soll", meldet sich eine andere Frau zu Wort, "ich empfand die Anwesenheit meines Partners als störend. Ständig hatte ich Sorge, dass er mein Jammern und Gestöhne nicht mehr hören kann.
Und als das Kind auch noch per Saugglocke geholt werden musste, war er völlig überfordert."

Es wird ruhig in der Runde.

Alle blicken mich an, und da kommt auch schon die Frage:

"Sie erleben doch täglich Väter unter der Geburt. Was sind Ihre Erfahrungen?"

Ich berichte den Kursteilnehmern zuerst von einer Umfrage aus England, bei der 41 Prozent der Mütter die Anwesenheit des Partners im Kreißsaal als hinderlich bis störend eingestuft haben - eine erschreckend hohe Zahl !
In der Tat kann auch ich bestätigen, dass ich viele wunderschöne Entbindungen begleitet habe, bei denen das gemeinsame Geburtserlebnis der werdenden Eltern eine große Bereicherung für beide waren, dass ich aber auch nicht wenig negative Erlebnisse mit den Vätern bei der Geburt habe.
Teilweise haben diese durch ihr Verhalten den natürlichen Ablauf der Geburt so gestört, dass es über Stunden nicht mehr weiter ging.

Grund genug, dieses Thema einmal differenziert zu betrachten.
Die Argumente für den werdenden Vater im Kreißsaal liegen klar auf der Hand: Das gemeinsame Geburtserlebnis bietet eine gute Basis für das Familienleben, der Partner fühlt sich nicht ausgeschlossen, sondern dazugehörig, er kann seine Frau liebevoll unterstützen und zum Kind von Anfang an eine intensive Beziehung aufbauen.

Nach meiner Erfahrung ist der Partner (oder eine andere Begleitperson) dann eine gute Hilfe für die Frau in den Wehen, wenn dazu folgende Voraussetzungen gegeben sind:

Er kommt freiwillig mit zur Geburt, und nicht, weil "der Mann heutzutage mitgeht".
Außerdem sollte er "die Erlaubnis" haben,  jederzeit den Geburtsraum verlassen zu dürfen, wenn er das Bedürfnis danach hat.

Die Beziehung der beiden steckt derzeit nicht in einer schweren Krise.

Der Partner bringt Geduld und Ruhe mit.

Er hat sich realistisch mit dem Ablauf einer Geburt einschließlich einiger Sondersituationen (Rückenspritze, Kaiserschnitt, Geburt per Saugglocke oder Zange) auseinandergesetzt.

Sind diese grundlegenden Voraussetzungen gegeben, kann er der Frau eine tatkräftige, große Hilfe sein:
Er kann ihr Erfrischungen (Getränke, ein feuchtes Tuch für die Stirn etc.) oder etwas zu essen anbieten.
Er kann die Frau bei der richtigen Atmung unterstützen und ihr durch eine Massage Schmerzen lindern.
Durch liebevolle Zuwendung (streicheln, in den Arm nehmen, trösten, zuhören, ablenken, aufmuntern, motivieren) schafft er eine entspannte Situation, in der sich die werdende Mutter vertrauensvoll öffnen kann.
Begleitung beim Spaziergang durch den Krankenhauspark oder das Stützen der Frau in den Wehen, besonders während der Preßphase, geben ihr körperlichen und psychischen Halt.

Problematisch wird die Anwesenheit einer Begleitperson allerdings dann, wenn diese mit der Situation völlig überfordert oder desinteressiert ist.
Dies äußert sich beispielsweise in streithaftem oder besserwisserischem Verhalten, ständigem Jammern über die eigene Müdigkeit oder demonstrativem Beschäftigen mit etwas anderem.
Da kämpft die Frau mit starken Wehen, und der Mann liest in Seelenruhe den Sportteil einer Zeitung oder spielt Gameboy (alles schon dagewesen).


Besonders schlimm wird es, wenn der Mann die Frau bevormundet

"Nein, meine Frau kriegt noch keine Schmerzmittel, andere schaffen das ja auch ohne !",

 sie demotiviert

"Das wird bestimmt ein Kaiserschnitt !"

 oder durch ständiges auf die Uhr gucken oder fragen

 "Wie lange dauert denn das noch?"

 unter Druck setzt.


Nichts kann einen Geburtsablauf mehr stören als Hektik, Ungeduld
oder sogar ein liebloses Verhalten
nichts dagegen macht ihn einfacher,
als Zuwendung, Verständnis und Unterstützung.