Lust und Liebe mit Bauch

Das Liebesleben wird bekanntlich maßgeblich durch Hormone angeregt. Die aber erreichen in der Schwangerschaft oft ein Vielfaches ihrer üblichen Konzentration. Kein Wunder also, dass viele Frauen in der Schwangerschaft phasenweise besonders viel Lust auf Sex mit ihrem Partner haben. Werdende Eltern schlafen im Durchschnitt 1,5 mal pro Woche miteinander, wie eine Studie der Berliner Charité ergab. Und das ist gut so, denn Sex stärkt die Bindung der angehenden Eltern, und gesund ist die körperliche Liebe ganz nebenbei auch noch. Deshalb sollten Paare Sex auch in der Schwangerschaft ruhig ausgiebig genießen.


 

Frühschwangerschaft: Kein Bauch, aber auch kein Sex

Der positive Schwangerschaftstest ist noch nicht alt, ein Bauch noch so gut wie nicht zu sehen und Verhütungsmittel sind überflüssig geworden. Der Lust stünde also rein gar nichts im Wege - wenn sie denn da wäre, denn gerade in der Früh-Schwangerschaft scheint sie sich bei vielen Frauen vorübergehend verabschiedet zu haben. Ganz normal, denn die anfängliche hormonelle Umstellung beutelt den Körper. Man fühlt sich schlapp, müde, schwindelig, hat vielleicht Darmprobleme, häufiger Kopfschmerzen – und das alles noch zusätzlich zum unangenehmen Brustspannen und einem latenten Übelkeitsgefühl. Frauen brauchen jetzt keine Befürchtungen zu haben, dies werde nun neun geschlagene Monate so bleiben – die Lust kommt meist spätestens nach dem ersten SS-Drittel zurück.

Momentan jedoch ist der „Quickie“ oft erst einmal out. Statt sich aber nun zurückzuziehen, können Männer diese Zeit nutzen, mehr Gewicht auf Zärtlichkeiten und ausgiebige Schmusestunden zu legen – die ein Vorspiel sein können, aber nicht müssen. Nähe ist jetzt wichtig, denn auch seelisch ist eine Schwangerschaft für beide Partner eine große Umstellung. Sie spüren, dass sie sich auf der erstaunlichen Reise vom Paar zur Familie befinden, und dass sich der ganze Alltag und auch die bisherigen Rollenmuster verändern werden. Die meisten Frauen genießen es jetzt, wenn der Partner auch mal ohne sexuelle Hintergedanken Hautkontakt sucht, denn das tröstet, beruhigt, gibt Mut und Zuversicht. Und auch hier gilt oft der alte Spruch, dass der Appetit beim Essen kommt, vor allem, wenn kein Erwartungsdruck dahinter steckt. Schließlich ist Sex gut für den Kreislauf und zur Entspannung, was gerade im ersten Drittel der Schwangerschaft nur gut sein kann. Und dann gibt es in den ersten drei Monaten auch noch diese erstaunlichen Tage, wo alle Schwangerschaftssymptome vorübergehend weg sind – völlig normal und eine prima Gelegenheit, einmal wieder nach erprobter Manier ins Liebesnest zu hüpfen.

 

Befürchtungen und Ängste – fast immer unnötig

Manchen Frauen macht aber nicht nur die Invasion der Hormone zu schaffen, sondern sie plagen sich auch mit geheimen Befürchtungen: Können beim Sex nicht Keime in die Scheide eingeschleppt werden? Kann ein Orgasmus vielleicht Wehen auslösen? Führt allzu heftiger Sex vielleicht am Ende gar zu einer Fehlgeburt? All diese Sorgen sind völlig unbegründet, weiß Frauenärztin Dr. med. Katharina Larisch aus München und erklärt energisch: „Sex und Geschlechtsverkehr schaden nicht während der Schwangerschaft.“ Das Baby ist vom Fruchtwasser in der Fruchtblase und von der dicken Gebärmutterwand gut geschützt. Der Schleimpfropf, der den Gebärmutterhals verschließt, bewahrt das Baby außerdem vor Keimen. Ebenso wie das saure Milieu der Scheide, dass es Fremdkeimen schwer macht, sich zu vermehren. Studien haben nachgewiesen, dass es keinen Zusammenhang zwischen Sex in der Schwangerschaft und einer Frühgeburt gibt, solange es sich um eine normal verlaufende Schwangerschaft handelt.

Diffuse und nicht recht aufgelöste Ängste können auch zu einer trockenen Scheide und Schmerzen beim Sex führen, was natürlich wiederum die seelische Blockade vergrößert. Damit „frau“ sich wieder traut, helfen ihr zeitweise ganz simple Maßnahmen, wie eine Fettcreme, Melkfett oder eine Gleitcreme aus der Apotheke, die das Gewebe etwas geschmeidiger machen. Zur Liebe zwingen sollte sich aber niemand, es kann auch richtig sein, einfach mal eine Weile zu pausieren.

Im zweiten Schwangerschaftsdrittel hat der Körper sich meist wunderbar an die Schwangerschaft angepasst, die Energie kehrt zurück, die Unternehmungslust ist manchmal größer als zuvor. Bei vielen Frauen sorgen die inzwischen harmonisch und vergnügt durch die Blutbahn jagenden Hormone außerdem für besonders intensive Lust auf den Mann. Die Botenstoffe bewirken nämlich unter anderem, dass Klitoris und Vagina stärker durchblutet werden und empfänglicher sind für sexuelle Reize und sensible Berührungen. Deshalb erreichen Schwangere auch leichter und schneller einen Orgasmus. Apropos Orgasmus: Der darf ruhig richtig heftig ausfallen. Auch wenn eine Frau spürt, dass ihr Ungeborenes nach dem Liebeshöhepunkt wild herumzappelt, heißt das nicht, dass das Baby etwas mitbekommen oder gar Schmerzen hätte. Das Ganze ist lediglich eine normale Reaktion des Ungeborenen auf den erhöhten Blutdruck der Mutter und auf ihr laut klopfendes Herz.

 Wenn der Partner auf Abstand geht

Die zurückkehrende Lust ihrer Partnerin freut die meisten Männer naturgemäß sehr. Viele von ihnen fühlen sich jetzt körperlich besonders von ihrer schwangeren Gefährtin angezogen. Es gibt jedoch einige Exemplare, die vor dem fröhlichen Sprung ins Lotterbett plötzlich zurückscheuen, nicht recht mit der Sprache heraus wollen und etwas von: „Nee, am Ende mach’ ich noch was kaputt!“ murmeln. Insgeheim werden manche Männer von der Vorstellung geplagt, ein kleiner Zaungast im Bauch der Frau sehe ihnen beim Sex zu oder könne dabei gar verletzt werden. Ein wenig Aufklärung über die weibliche Anatomie kann viele Zauderer schon beruhigen: Der Embryo schwimmt im warmen Fruchtwasser, umgeben von der Fruchtblase, die wiederum umgeben ist von der dicken und zähen Wand der Gebärmutter. Das Ganze ist fest verschlossen von einem recht langen „Flaschenhals“ (dem Gebärmutterhals). Es ist dem Mann also anatomisch gar nicht möglich, ans Baby zu stoßen oder ihm gar zu schaden.

Manche Männer brauchen aber einfach auch etwas Zeit, um die angehende Mutter zugleich auch als Liebespartnerin wahrzunehmen, zu neu und eindrücklich ist die Rolle der Schwangeren. Wichtig ist, dass sich „Mann“ trotzdem nicht völlig zurückzieht, denn auch wer sich Sex momentan nicht recht vorstellen kann, braucht keine Scheu vor Schmuse-Sessions auf dem Wohnzimmersofa oder im Bett zu haben – und die sind für fürs Zusammengehörigkeitsgefühl eigentlich noch wichtiger als Sex. Kuschelmomente mit Gesprächen über die Zeit nach der Schwangerschaft und als zukünftige Familie machen geheimen Befürchtungen Luft, schenken Vertrautheit – und lassen verunsicherte Männer nicht selten wieder zutraulicher werden.

 

Blasenentzündungen vorbeugen

Die zurückkehrende Freude am gemeinsamen Liebesspiel bringt manchmal auch eine ungebetene Folge mit sich: Viele Frauen neigen gerade in der Schwangerschaft zu Blasenentzündungen. Diese wird nicht umsonst auch „Flitterwochen-Krankheit“ genannt, weil sie häufig durch Sex ausgelöst wird: Unter der Vorhaut des Mannes siedeln Keime, die gern in die Blase der Frau aufsteigen. Wer zu Harnwegsinfekten neigt, sollte innerhalb von 10 Minuten nach dem „Herzeln“ auf die Toilette gehen, damit Bakterien, die angefangen haben, in der Harnröhre aufzusteigen, herausgespült werden. Auch ein Glas Wasser, in dem ein gestrichener Teelöffel Vitamin C gelöst ist, kann – kurz vorher oder danach getrunken – vorbeugend wirken, weil Bakterien kein saures Milieu in der Blase mögen.


Selbst wenn sie vorher allen Positionen aufgeschlossen gegenüber standen - Akrobatik im Bett á la Kamasutra ist den meisten Frauen gegen Ende der Schwangerschaft denn doch zu mühsam. Der Bauch hat vielleicht zunehmend Ähnlichkeit mit einem Medizinball (und scheint auch ebensoviel zu wiegen), man fühlt sich so beweglich wie ein Nilpferd und zieht bei der Liebe daher oft die eher bequemere Position vor (Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel). Bequem heißt dabei keineswegs einfallslos. Fünf Stellungen (mindestens) sind jetzt geeignet:

Die Frau liegt auf der Seite, das Paar wendet sich mit den Gesichtern zu einander. In Seitenlage lastet nicht mehr der Großteil des Gewichts des Partners auf der Gebärmutter.

Die „Löffelchenposition“, bei der beide auch auf der Seite liegen, sie aber mit dem Rücken zu ihm: Dadurch dringt der Penis weniger weit ein. Tiefere Stöße können im Verlauf der Schwangerschaft unangenehm werden.

Das Bett als Requisite: Der Bauch ist kein Hindernis mehr, wenn Frau mit angewinkelten Beinen nahe am Bettrand liegt und dabei Becken und Füße an der Matratzenkante abstützt. Der Partner kann entweder vor ihr knien oder stehen.

Die Frau liegt oben. So lastet kein Gewicht auf ihrem Unterleib und sie kann Tiefe und Heftigkeit des Eindringens selbst kontrollieren.

Die Sitzposition, bei der ebenfalls kein Gewicht auf der Gebärmutter liegt: Die Schwangere sitzt einfach auf dem Schoß ihres Partners, während er auf einem (stabilen) Stuhl oder im Bett aufrecht sitzt.

 

Hinterher darf es ruhig „wehen“

Während oder auch nach dem Liebestaumel kann es vor allem im letzten Schwangerschaftsdrittel passieren, dass eine Frau Unterleibskrämpfe hat. Das ist unangenehm, aber nicht gefährlich. Durch den Orgasmus wird eine Welle kleiner Kontraktionen im Körper ausgelöst. Man kann einfach ein paar Minuten warten und sanft in den Bauch atmen, bis die angespannte Gebärmutter-Muskulatur wieder locker lässt, ähnlich wie bei den Übungswehen. Solche kurzen Krämpfe können die Geburt nicht in Gang setzen.

 

Verläuft eine Schwangerschaft normal, steht dem fröhlichen Genuss der verschiedenen Spielarten beim Sex nichts entgegen. Nur in wenigen Fällen rät der Berufsverband der Frauenärzte zur Zurückhaltung: Wenn eine Frau schon mehrere Fehlgeburten hatte; bei Blutungen; bei echten vorzeitigen Wehen (nicht Übungswehen), die den Gebärmutterhals bereits verkürzen; wenn der Mutterkuchen über dem Muttermund liegt (Placenta Praevia), denn Sex führt hier manchmal zu Blutungen; bei chronischen Krankheiten wie Diabetes, bei bakteriellen Infektionen der Scheide; wenn die Fruchtblase am Ende der Schwangerschaft bereits geplatzt ist. An den Arzt sollte man sich sicherheitshalber auch wenden, wenn nach dem Sex eine Blutung auftritt.

Doch auch in diesen Fällen heißt Vorsicht oft nicht, dass ein Paar nun ganz auf die körperliche Liebe verzichten muss: Varianten der Lust, bei denen der Penis nicht in die Scheide eingeführt wird (und natürlich auch sonst nichts), sind fast immer erlaubt. Zum Beispiel ist Oralsex unschädlich, und auch das rein äußerliche Streicheln der Klitoris einschließlich Orgasmus ist meist kein Problem. Frauen sollten ruhig offen mit ihrem Arzt besprechen, ob und wie viel Zurückhaltung wirklich nötig ist. Oft muss Vorsicht auch nur vorübergehend sein, zum Beispiel bis sich eine wackelige Schwangerschaft mit anfänglichen Blutungen stabilisiert hat, oder bis eine Scheideninfektion erfolgreich behandelt ist.

  

Geburtseinleitung: Sex statt Wehentropf?

Auch, wenn man es immer wieder lesen kann: Sex allein löst auch nahe am Entbindungstermin keine Geburt aus, nicht einmal echte Wehen (höchstens die normalen Übungswehen). Zwar lässt sich im Ejakulat das Hormon Prostaglandin nachweisen, aber die Menge ist so gering, dass sie nicht wehenwirksam ist. Immerhin aber macht es den Muttermund weich und bereitet ihn auf Kontraktionen vor. Sex nahe am Geburtstermin ist aber nicht nur deshalb eine gute Methode, das Baby hervorzulocken. Sondern auch, weil er einfach entspannt und gute Stimmung macht. Und auch dies kann den Startschuss zur Geburt geben.

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